„Warum fährst du nicht über Kyzyl-Oi, das ist echt schön da, da kannst du auch gleich noch ein paar Tage bleiben wenn du Zeit hast.“ Ich habe noch nie etwas von Kyzyl-Oi gehört, aber ich bin auf der Suche nach dem besten Weg von Kochkor nach Osch, und Maksatbeck, der Besitzer des Happy Hostels, macht den Eindruck als wüsste er wovon er spricht. Ein CBT Mitarbeiter wollte mich über Bischkek schicken, aber ich habe weder Lust zwei volle Tage in einem Minibus zu verbringen, noch in der wenig attraktiven Hauptstadt übernachten zu müssen. Eine andere Möglichkeit ist der Weg über Naryn, allerdings soll hier die Straße teilweise sehr schlecht sein und mehr Informationen bekomme ich dazu auch nicht.
Der Start in Kochkor
Wobei die Auskunft zur empfohlenen Route von Kochkor nach Osch auch nicht viel ausführlicher ist. Von Kochkor muss man ein Sammeltaxi nach Chaek nehmen, dort muss man jemanden finden der einen nach Kyzyl-Oi fährt, und wenn man von dort wieder weg will jemanden organisieren der einen nach Suusamyr, bzw. an die M41, die Straße von Bischkek nach Osch fährt, von wo man dann die verbleibenden 500km nach Osch trampen muss.
Aber meine Reise-Erfahrung lehrt mich, dass es immer irgendwie funktioniert, also bin ich optimistisch. Gemeinsam mit Pete, einem Amerikaner den ich im Hostel kennenlernte und der sich mir spontan anschließt, mache ich mich auf den Weg zur Bus- & Taxihaltestelle im Zentrum Kochkors.
Es ist tatsächlich überhaupt kein Problem ein Sammeltaxi nach Chaek zu finden, in dem Moment in dem man mit einem Rucksack den Platz betritt wird man sowieso sofort angesprochen wo man hinmöchte. Wir müssen lediglich ein bisschen warten bis es voll ist. Wie immer werden wir von den freundlichen und neugierigen Kirgisen mit uns im Auto ausgefragt. Woher wir kommen, was wir hier machen, und ob wir verheiratet sind. Das scheint in diesem Land die wichtigste Frage von allen zu sein.
Preisverhandlung auf kirgisisch
In Chaek angekommen fragt der Fahrer dann auch direkt wo wir denn von hier aus hin wollen und organisiert uns einen Bekannten der uns nach Kyzyl-Oi fahren soll. Die Sprachbarriere bei der Verhandlung des Preises überwinden wir, indem wir so lange Zahlen mit unseren Fingern auf die staubigen Scheiben seines Autos schreiben, bis es für beide Seiten passt. Insgesamt bezahle ich für die komplette Strecke von Kochkor nach Kyzyl-Oi 11€.
Wir hatten ursprünglich gedacht, dass wir von Chaek nach Kyzyl-Oi auch trampen können, allerdings begegnen wir auf der Strecke tatsächlich keinem anderen Auto. Die Straße ist irgendwann nur noch eine Schotterpiste. Wir arbeiten uns immer tiefer in die Landschaft des Ala-Too Gebirges hinein. Die Felsen hier sind teilweise tief rot gefärbt und zeigen erneut eine ganz andere Seite Kirgistans als die, die ich bisher gesehen habe.
Homestay in Kyzyl-Oi
In Kyzyl-Oi angekommen fährt uns unser Fahrer zum CBT Büro, ich hatte dem dortigen Koordinator Artyk vorher eine WhatsApp geschickt um ihn über unsere Ankunft zu informieren. Es funktioniert alles völlig unkompliziert, wir werden umgehend zu einem der Homestays in Kyzyl-Oi gebracht und werden von einer freundlichen und geschäftstüchtigen kirgisischen Mama begrüßt, die offensichtlich auch das Familienoberhaupt ist.
Wir bekommen ein ganzes Haus mit mehreren Zimmern für uns. Die nächsten beiden Tage gibt es im ganzen Ort weder Strom noch fließendes Wasser. Da bekannterweise ja nur die Harten in den Garten kommen, wage ich das Bad im eisigen Fluss der hinter dem Haus vorbeifließt.
Die wunderschöne Wanderung
Der nächste Morgen begrüßt uns mit strahlend schönem Wetter, und Pete und ich beschließen eine Wanderung zu machen. Ausgeschriebene Wege gibt es hier nicht, wir gehen am Ortsausgang über die Brücke und folgen von dort den Trampelpfaden der Pferde um uns auf diesen immer weiter nach oben zu schrauben.
Verlaufen kann man sich nicht, der kleine Ort ist von hier oben eigentlich immer sichtbar, die Wanderung ist auch alleine machbar. Es gibt keine schwierigen Passagen. Wer super fit ist kann sogar versuchen einen der Gipfel zu erklimmen, die Aussicht muss grandios sein.
Wir aber halten uns zunächst östlich und dann in nördlicher Richtung unterhalb der Bergkette. Was sich hier dem Auge entfaltet ist ein Spektakel für sich. Blühende Wiesen und ein endloser Blick auf die umliegenden Hänge und Bergketten, in denen die roten, grünen und braunen Farbtöne miteinander verschwimmen.
Wir treffen den ganzen Tag keine Menschenseele und können uns an der Natur kaum satt sehen. Weiter und immer weiter laufen wir, immer noch über den nächsten Hügel-Rücken und den nächsten, bis wir irgendwann eine kleine mit Gras bewachsene Hochfläche erreichen.
Von dieser eröffnet sich ein wunderbarer Rundumblick auf die Landschaft und den Fluss, der sich durch das benachbarte Tal zieht. Der Blick nach Norden fällt über rot gefärbte Felsen und dahinter erstreckt sich Bergkette hinter Bergkette. Auf den höher gelegenen Gipfel glänzen auch im Juli die weißen Schneefelder. Über unseren Köpfen zieht ein Adler seine Kreise. Oh wie schön ist Kirgistan.
Abschied von Kyzil-Oi und Fahrt nach Osch
Als die Sonne sich so langsam nach unten bewegt reißen wir uns schweren Herzens los und machen uns an den Abstieg. Wir kommen erst um 8 Uhr Abends wieder zurück, unsere kirgisische Mama hat sich schon Sorgen gemacht.
Geschäftstüchtig wie sie ist, lässt sie uns am nächsten Morgen von ihrem Mann Richtung Suusamyr fahren und nimmt dafür 10€ / Person. Eine Wahl hat man nicht, wer will kann mit trampen sein Glück versuchen, aber hier fährt manchmal stundenlang kein Auto vorbei. Dafür fährt uns ihr Mann bis an die Straße von Bischkek nach Osch, wo wir ca. eine halbe Stunde warten bis ein Auto anhält was tatsächlich den kompletten Weg nach Osch fahren wird. Auch sie wollen 10€ / Person, was angesichts der Strecke von fast 500 Kilometern fair erscheint.
Unsere Mitfahrgelegenheit ist eine Familie mit 4 kleinen Kindern die kurzerhand in den Kofferraum verfrachtet werden. Unterwegs halten wir an einer Raststätte wo wir gemeinsam mit der Familie zu Mittag essen. Als ich bei Google Maps nachschauen möchte wo wir hier eigentlich sind, ist die Raststätte dort mit einem sehr passenden Namen eingetragen.
Ankunft in Osch
Nach einer langen aber kurzweiligen Fahrt, da sich das Ehepaar größte Mühe gibt, mit ein paar Brocken Englisch möglichst viel über uns zu erfahren, kommen wir in Osch, der zweitgrößten Stadt des Landes, an. In der geschäftigen Stadt kommt mir die Erinnerung an den abgelegenen Ort im Nirgendwo von Kirgistan auf einmal ziemlich unwirklich vor.
Ich freue mich, wenn dir mein Artikel gefallen hat und ich dich dazu inspirieren konnte, dieses abgelegene Fleckchen Erde zu besuchen. Wenn du magst, folge mir auf: