Ein letzter Blick zurück. Er winkt, dreht sich um und geht in die eine Richtung, während ich den entgegengesetzten Weg einschlage. Ich gehe obwohl ich hätte bleiben können. Mein Kopf ist stolz auf mich, mein Herz weint.
Oder ist es umgekehrt? Schließlich weiß mein Herz doch auch, dass ich reisen möchte. Nicht irgendwo länger als geplant hängen bleiben, nur weil mir jemand den Kopf verdreht. Dann zu gehen, wenn es am schönsten ist, mit einer Erinnerung im Gepäck, die mich zum Lächeln bringt wenn ich sie auspacke. Um sie danach mit einem guten Gefühl wieder zu verstauen.
Ich habe es auch schon anders gemacht. Meine Pläne geändert, an einem Ort geblieben an dem ich eigentlich nicht sein wollte. Ich hatte eine schöne Zeit. Aber die Frage, wo das am Ende hinführen sollte, wenn der Abschied irgendwann unvermeidlich wird, habe ich ignoriert.
Klar, man bleibt erstmal in Kontakt. Man ist ständig Online bei WhatsApp. Man wartet auf die Nachrichten von der richtigen Person. Man führt eine Beziehung mit dem Handy, wenn man eigentlich gerade die beste Beziehung mit dem eigenen Leben führt.
Und irgendwann merkt man, dass es eben doch nicht passt. Habe ich es im Nachhinein bereut? Ich möchte sagen Nein, ich bereue nichts, aber wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, dann habe ich es doch ein kleines bisschen bereut. Ich habe mich verbogen und Dinge getan, die ich nicht machen wollte. Mich und meine Freiheit eine Zeitlang aufgegeben.
Zu gehen, bevor mehr daraus werden konnte habe ich noch nie bereut. Dem „was-wäre-wenn-Gedanken“ hänge ich immer noch eine Weile nach. Vielleicht wäre er es ja gewesen? Aber vielleicht eben auch nicht. Und so habe ich jeden Tag neue Abenteuer erlebt. Ich habe Orte gesehen, die ich sonst wahrscheinlich nie gesehen hätte, und tolle Menschen kennengelernt die meinen Weg ganz sicher nicht gekreuzt hätten.
Ich habe das gemacht, was ich am liebsten mache. Jeden Tag ein neues Stück der Welt zu erobern.
Ich weiß, es wird wieder passieren. Es lässt sich kaum vermeiden, wenn man jeden Tag neue Menschen kennenlernt, an den schönsten Orten der Welt. Wenn man in einer Blase lebt, fernab des Alltags.
Bekanntschaften auf Reisen haben ihre eigenen Gesetze. Wer sind wir, wenn wir unterwegs sind, und sind wir überhaupt wir selbst? An einem Ort, an dem wir keine Vergangenheit und keine Zukunft haben, nur eine Gegenwart.
Ich bin auch nicht dieselbe Person auf Reisen, mit meinen zusammengewürfelten Schlabber-Klamotten, verstrubbelten sonnengebleichten Haaren, tiefenentspannt und über den Sinn des Lebens rätselnd. Ich bin zu Hause eine andere Person, mit einem strukturierten Tagesablauf, der sich hauptsächlich um meinen Job dreht.
Jemanden zu finden der genauso tickt, der beide Welten versteht, das ist eine Herausforderung. Wer ist verrückt genug, so ein Leben zu teilen? Und bin ich überhaupt verrückt genug, dieses Leben teilen zu wollen?
Wir alleinreisenden Frauen sind unabhängig. Wir haben die größten Herausforderungen unseres Lebens alleine gemeistert. Wir haben Kakerlaken aus unserem Zimmer entfernt und betrügerische Taxifahrer in ihre Schranken verwiesen. Wir haben die schönsten Momente unseres Lebens allein erlebt. Dieser magische Moment, als die Sonne früh morgens über den schneebedeckten Gipfeln des Himalaya aufging und ihre Strahlen unseren Körper mit Glück durchflutete, er war auch deshalb so einzigartig, weil wir ihn in völliger Einsamkeit genießen konnten.
Wer wäre überhaupt in der Lage uns an einem Ort zu halten, wenn wir selbst nicht in der Lage sind lange an einem Ort zu bleiben? Wir sind nicht bereit, unsere Wanderlust für irgendjemanden aufzugeben. Denn am Ende reisen wir doch, um uns selbst zu finden, nicht jemand anderen.
Manchmal verlieben wir uns eben trotzdem. Und so schön das ist, auf Reisen ist es eben manchmal auch hinderlich. Denn dann müssen wir uns entscheiden, bleiben wir oder gehen wir?
Ich habe gelernt, nur wer sich treu bleibt, ist glücklich. Und wenn das bedeutet, dass das Herz zwischendurch mal kurz weint, dann ist das auch in Ordnung. Denn der nächste Sonnenuntergang wird garantiert so schön sein, dass er diese Tränen trocknen wird.
Ich freue mich, wenn dir mein Artikel gefallen hat. Hast du dich auch schon auf Reisen verliebt? Wie hast du dich entschieden? Hinterlasse gerne einen Kommentar mit deiner Geschichte. Wenn du magst, folge mir auf:
So schön geschrieben… da bekommt man ja glatt feuchte Äuglein an Valentinstag! ?
Ohh danke für den lieben Kommentar Aline! 🙂
Starker Text. Ich finde vor allem die Überlegung sehr spannend, ob wir überhaupt uns selbst sind, wenn wir an einem Ort keine Vergangenheit haben. Ich habe auch das Gefühl, dass ich mich auf Reisen jeden Tag neu erfinden kann. Das gehört für mich zum Schönsten auf Reisen überhaupt.
Hi Oli,
Vielen Dank 🙂 Und es stimmt, zu Hause ist alles so festgelegt. Unterwegs können wir tatsächlich genau die Person sein, die wir an dem Tag sein wollen. Und die Personen kennenlernen, die wir kennenlernen wollen 😉 Das trägt dann auch seinen Anteil zu dem Freiheits-Gefühl bei, was man auf Reisen hat.
Viele Grüße,
Annika